Nachricht | Das Kriegsende 1918

Der Waffenstillstand wurde am 11. November unterzeichnet. In den Köpfen aber war der Krieg noch lange nicht beendet.

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Der Waffenstillstand von Compiègne wurde am 11. November 1918 zwischen dem Deutschen Reich und den beiden Westmächten Frankreich und Großbritannien geschlossen und beendete die Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg.
Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens am 11.11.1918: Hinter dem Tisch, von rechts: Die Franzosen General Maxime Weygand und Marschall Ferdinand Foch (stehend), die britischen Marineoffiziere Rosslyn Wemyss, George Hope und Jack Marriott. Davor stehend die Deutschen Staatssekretär Matthias Erzberger, Generalmajor Detlof von Winterfeldt, Alfred von Oberndorff vom Auswärtigen Amt und Kapitän zur See Ernst Vanselow. Maurice Pillard Verneuil, via Wikimedia Commons

Nach Waffenstillstand und Separatfrieden mit Russland war die Hoffnung der Obersten Heeresleitung (OHL) im Frühjahr 1918 groß, den Krieg an der Westfront jetzt auch zu Gunsten des Deutschen Reiches entscheiden zu können. Mit dem Scheitern der Operation Michael im März, die den Anfang einer breit angelegten aber wenig erfolgreichen Frühjahrs-Offensive in Frankreich bildete und den gleichzeitigen erfolgreichen Gegenoffensiven der Entente, war der militärische Zusammenbruch des Deutschen Reiches nicht mehr aufzuhalten. Das Heer war nicht nur geschlagen, es befand sich in Auflösung und mit ihm das Deutsche Kaiserreich. Vier Jahre Weltkrieg hatten bis zu 13 Millionen Opfer gefordert. Die diktatorisch regierende OHL um Hindenburg und Ludendorff forderte am 29. September 1918 von der zivilen Reichsleitung die sofortige Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen.

Der Krieg war nicht mehr zu gewinnen. Allenfalls schienen erträgliche Waffenstillstandsbedingungen verhandelbar. Für den Untergang des Reiches aber wollten sich die Militärs freilich nicht verantwortlich machen lassen. Die Legende vom Dolchstoß der Heimat gegen die angeblich im Felde unbesiegten Soldaten wurde in die Welt gesetzt. Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson machte Waffenstillstandsverhandlung von einer Demokratisierung, insbesondere der Parlamentarisierung des politischen Systems des Kaiserreiches abhängig, die zumindest vordergründig nach einem Regierungswechsel in Berlin auch mit den Oktoberreformen eingeleitet wurde. Die Waffenstillstandsvereinbarung, die einer offenen Kapitulation des Reiches gleichkam, wurde schließlich am 11. November unterzeichnet und trat sofort in Kraft. Der Krieg in den Köpfen aber war noch lange nicht beendet. Dieser sollte bald die politische Kultur der Weimarer Republik prägen.

Im Spätsommer 1918 war von der anfänglich weit verbreiteten Kriegsbegeisterung in Deutschland, dem mythischen «Augusterlebnis» des Sommers 1914, nichts mehr zu spüren. Nicht nur die Soldaten waren vollkommen ermattet, zermürbt und kriegsmüde geworden. Bis zu einer Million waffenfähiger Männer entzogen sich inzwischen dem Frontdienst. Der Krieg stieß in der Bevölkerung zunehmend auf Ablehnung. Der Protest wuchs mit der Dauer des Krieges. Akute Ernährungs- und Versorgungskrisen prägten den Alltag, besonders der durch das sogenannte Hindenburggesetz zur Akkordarbeit in der Rüstungsindustrie verpflichteten Arbeiter*innen und deren Familien. Aber nicht nur der Hunger führte vielerorts immer wieder zu selbstorganisierten Protestaktionen. Die Protestierenden argumentierten auch politisch gegen den Krieg und die Kriegspolitik. Erste Hungerproteste gab es schon wenige Monate nach Kriegsbeginn. Hungerunruhen sind aus vielen deutschen Städten für den Winter 1915/16 überliefert. Auch in den Betrieben wurde gekämpft, oft auch gegen den Willen der (M)SPD und der Gewerkschaften. Im April 1917 streiken reichsweit 200.000 Metallarbeiter. An den Januarstreiks 1918 nehmen über eine Million Streikende teil, um nur zwei Beispiele zu nennen. Sie forderten «Frieden und Brot». Noch konnten die Streikbewegungen von der Staatsmacht niedergeschlagen werden.

Als die Admiralität die Waffenstillstandsverhandlungen der Reichsregierung am 24. Oktober 1918 mit dem Befehl an die Flotte zum Auslaufen gegen die englische Seestreitmacht torpedieren und den Krieg fortsetzen wollte, verweigerten sich viele Matrosen diesem in ihren Augen sinnlosen Sterben. Ein Aufstand der Matrosen begann, der schnell an Eigendynamik gewann und als Revolution das ganze Deutschen Reich erfasste. Am 9. November erreichte die Revolution Berlin. Der Kaiser musste abdanken. Die Monarchie war gestürzt. Scheidemann rief die Republik aus. Liebknecht proklamierte die sozialistische Republik. Die Spaltung der einst in der SPD organisierten Arbeiterbewegung manifestierte sich auch in grundsätzlich unterschiedlichen Haltungen zur Revolution und der Gestaltung von Staat, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im neuen Deutschland. Soldaten- und Arbeiterräte bildeten sich. Der Rat der Volksbeauftragten, paritätisch aus Mitgliedern der MSPD und USPD besetzt, übernahm die Regierung. Staat und Gesellschaft waren im Umbruch. Welcher Weg eingeschlagen werden sollte, war noch nicht entschieden.

Lange war die Revolution, die das Ende des Ersten Weltkrieges markiert, in Deutschland in Vergessenheit geraten. Die Revolution von 1918/19 spielte in der öffentlichen Wahrnehmung eine nur untergeordnete Rolle. Sie habe in Deutschland die erste parlamentarische Demokratie errungen, heißt es zu Recht. Die Ereignisse vor hundert Jahren werden in und für eine breite Öffentlichkeit überwiegend im Rahmen bürgerlicher Demokratietheorien verhandelt. Dies zu tun, ist nicht nur angesichts jüngster rechtspopulistischer Delegitimierungsversuche angemessen. Andere Entwicklungsmöglichkeiten zu einer demokratischen und solidarischen Gesellschaft auszublenden oder gar zu negieren, wird jedoch der Offenheit der historischen Situation im Herbst 1918 nicht gerecht.
 

Literatur:

  • Axel Weipert, Salvador Oberhaus, Detlef Nakath, Bernd Hüttner (Hrsg.):
    «Maschine zur Brutalisierung der Welt»

    Der Erste Weltkrieg  - Deutungen und Haltungen 1914 bis heute, Münster 2017
  • Arbeitsgruppe Zeitgeschichte und Geschichtspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Hrsg.):
    Lange Linien der Gewalt
    Ursachen, Deutungen und Folgen des Ersten Weltkrieges
    Reihe Materialien
    , Berlin 2014
  • Bernd Hütter (Hrsg.):
    Verzögerter Widerstand
    Die Arbeiterbewegung und der Erste Weltkrieg
    Reihe Manuskripte,
    Band 14, Berlin 2015
  • Bernd Hüttner, Axel Weipert (Hrsg.):
    Emanzipation und Enttäuschung
    Perspektiven auf die Novemberrevolution 1918/19
    Reihe Materialien, Berlin 2018