Schon 1922 fand eine internationale Ausstellung zum bauhaus statt. Nicht in Weimar, und auch nicht in Paris oder New York, nein, in Indien! Das bauhaus wurde in seiner Wirkungsgeschichte schon lange als internationales Phänomen angesehen, da durch die Emigration viele Bauhäusler_innen Europa nach 1933 verlassen hatten.
Eine große Ausstellung, die dann weltweit touren wird, widmet sich nun diesem Phänomen, aber ebenso und vor allem: neu, den Einflüssen, die sich Bauhäusler_innen aus dem globalen Süden durch Lektüre und persönliche Besuche aneigneten und zweitens den Impulsen, die durch Studierende aus außereuropäischen Ländern persönlich ans bauhaus kamen. Das große, offizielle, vom Goethe-Institut, dem Haus der Kulturen der Welt und den drei Bauhaus-Standorten geförderte Vorhaben «Bauhaus Imaginista» erinnert in der Anlage und beabsichtigten Wirkung an die Ausstellung anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung des Bauhaus´ 1968 in Stuttgart. Diese sollte damals den wiederhergestellten, guten Ruf Deutschlands weiter stärken – und wurde anschließend international gezeigt. Heute wird selbstverständlich von Anfang an global gedacht und gefordert, zu prüfen, inwiefern «das bauhaus» als Ressource jetzt für allerlei Ziele geeignet ist. Die Moderne sei zwar, so die eher von einem kultur-linken und postkolonial informierten Kontext herkommenden Herausgeber_innen, selbstverständlich «hybrid» zu denken, aber grundsätzlich positiv konnotiert erscheint sie dann schon.
Das großformatige Buch erzählt diese (globale?) Geschichte nicht in einer simplen Ursache-Wirkung-Relation («vom bauhaus in die Welt hinaus»), sondern argumentiert viel mit Begriffen wie Aneignung, Transfer, Interpretation, Begegnung, transkulturellem Dialog und Ablehnung. Die AutorInnen verfolgen Spuren, Bezugnahmen und Herleitungen. Sie untersuchen die modernistische Aneignung außereuropäischer Kunst im Zeitalter des Kolonialismus, wie sie – es sei nur an Gauguin oder Nolde gedacht – ja nicht nur am bauhaus stattfand. Die Kunsthalle Bremen z.B. widmete sich Ende 2017 den widersprüchlichen Verflechtungen von Kunst der klassischen Moderne im Deutschland der Kolonialzeit in einer weithin beachteten Ausstellung und lesenswerten Publikation (Bericht).
In diesem Buch wird aber ebenso die Wirkung des bauhaus und der Bauhaus-Pädagogik an Beispielen in Japan (ab 1931), in Nordafrika und schon viel früher eben in Indien dargestellt. Ebenso wird die konkrete Arbeit etlicher Bauhäusler in der Sowjetunion in den Blick genommen, wie die anderer in den USA oder in Brasilien.
Dabei treten durchaus neue Aspekte zu Tage. Das historische Bauhaus wiederum war ja selbst ambivalent, es changierte zwischen Tradition und Moderne, zwischen Mittelalter und Industriegesellschaft, zwischen Handwerk und Maschinerie. Das Thema des Buches ist allerdings nicht ganz einfach, die Texte sind stellenweise zu kurz und dabei doch recht komplex und voraussetzungsvoll; und der Erkenntnisgewinn etlicher ganzseitiger Abbildungen und Illustrationen auch nicht immer ersichtlich. Ein umfangreicher Index erleichtert die Nutzung des ansprechend gestalteten Werkes.
Die Ausstellung ist noch bis 10. Juni in Berlin im HKW zu sehen und dann ab 20. September 2019 im Zentrum Paul Klee in Bern in der Schweiz. Die umfangreiche Website des Projekts ist unter www.bauhaus-imaginista.org zu finden.
Hinweis: «Tod durch Idealisierung. Zur Bauhausausstellung 1968 und deren Vorgeschichte», Vortrag von Philipp Oswalt, ehemaliger Direktor des Bauhaus Dessau, auf Youtube
Marion von Osten und Grant Watson: Bauhaus Imaginista. Die globale Rezeption bis heute, Zürich 2019, 312 Seiten, 193 farbige und 13 sw Abbildungen, 58 EUR