Nachricht | Hermanns: Zur Geschichte der Frauen-Buch-Bewegung; Berlin 2025

Verlage, Buchhandlungen und Aktivismus

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1975 wird in München mit »Lillemor’s« der erste Frauenbuchladen in Deutschland gegründet, kurz darauf folgt »Labrys« in Berlin – der Auftakt zu einer rasanten Entwicklung in vielen Städten. Nahezu zeitgleich entstehen aus der autonomen Frauenbewegung heraus Frauenverlage, der erste ist 1974 »Frauenoffensive« in München. Dann werden Frauendruckereien gegründet, später gibt es auch Frauenbuchwochen und ähnliche Institutionen, die Frauen sichtbar machen wollen, bzw. dagegen angehen, dass Frauen (und Lesben) in der Literaturproduktion unsichtbar gemacht worden sind, und feministische Themen allgemein auf dem Buchmarkt wenig vorkommen. Frauen (und Lesben) sehen sich, so zitiert sie Helke Sanders, bei der Analyse von Unterdrückung nicht mehr als Opfer (S.18), sondern nehmen die Dinge und ihr Leben selbst in die Hand, werden aktiv.

Die 1961 geborene Doris Hermanns ist vom Fach und seit Jahrzehnten in der Frauen-Buch-Bewegung unterwegs. Sie war 25 Jahre Antiquarin in den Niederlanden, nahm an internationalen Frauenbuchmessen in London, Oslo, Montreal, Barcelona, Amsterdam und Melbourne teil. Seit ihrer Rückkehr nach Deutschland ist sie bei »Virginia«, der Zeitschrift für Frauenbuchkritik aktiv, in der (seit 1986!!) halbjährlich Rezensionen zu Neuerscheinungen feministischer Literatur publiziert werden.

Hermanns zeichnet die Geschichte der Frauen-Buch-Bewegung von ihren Anfängen bis heute nach und zeigt, wie vielfältig und international sie von Anfang an war. Sie berichtet, dass es in Westdeutschland im Lauf der Zeit über 50 Frauenbuchhandlungen in ungefähr 40 Städten gegeben habe, heute seien es nur noch vier: in Mannheim, Tübingen, Göttingen und eine Neugründung in Berlin. Neben ausführlichen Porträts der drei wichtigsten deutschen Frauenverlage (Frauenoffensive, Orlanda und Ulrike Helmer) gibt sie ebenso spannende Einblicke in zahlreiche weitere Frauen- und Lesbenverlage nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern nennt auch viele aus anderen Ländern. Sie beschreibt die Absichten von deren Gründerinnen, die jeweiligen Programme und wie sich diese veränderten. Sie geht aber auch darauf ein, wie viele Buchhandlungen und Verlage ihren Betrieb schließen mussten, entweder wegen wirtschaftlicher Probleme oder weil sie bei Berentung der Gründerinnengeneration keine Nachfolge fanden. Dies hänge auch mit der Reaktion der etablierten, Hermanns nennt sie »Konzernverlage«, zusammen, die Frauenthemen aufgreifen, dementsprechende Reihen etablieren, um ihr Stück vom Kuchen abzubekommen. Die Frauenbewegung verändere sich aber ebenfalls, es sei nur an die Debatten um Rassismus innerhalb der Frauenbewegung erinnert. Diese Debatten kommen jedoch im Buch kaum vor.

Ein Personenverzeichnis, diverse sortierte Listen von Projekten und ein Literaturverzeichnis runden dieses kenntnis- wie faktenreiche Buch ab. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der »Zweiten Frauenbewegung« wie zur Geschichtsschreibung der neuen sozialen Bewegungen.

Doris Hermanns: Sand im patriarchalen Getriebe. Zur Geschichte der Frauen-Buch-Bewegung; AvivA Verlag, Berlin 2025, 272 Seiten, 22 Euro