Veröffentlicht werden Beiträge, die im Zusammenhang mit bzw. im Umfeld des ootw4-Kongresses entstanden sind:
Christoph Spehr: „... daß früher oder später jemand gegen sie kämpfen muß.“ Revolution und Transformation in „Matrix“
Annette Schlemm: Vom Mars zur Erde. Ein Plädoyer für die Aktualisierung des Utopischen
Wladislaw Hedeler: Alexander Bogdanows Mars-Romane als kommunistische Utopie
Antje Schrupp: Frauen und Aliens
Jakob Schmidt: Besorg dir ein Leben! Körperpolitik und Subjektkonstruktion von Cyborgs in der Fernsehserie „Dark Angel“
Bartholomäus Figatowski: Antich, Betrisierung und Chemokratie. Stanislaw Lems literarisches ABC des Totalitarismus und seiner Tarnkappen
Editorial (Lutz Kirschner, Christoph Spehr):
Es macht Sinn, sich für Science Fiction zu interessieren. Sie eignet sich in besonderer Weise dazu, Utopien auszuprobieren und Veränderungen gesellschaftlicher Zustände, bedrohliche wie für notwendig gehaltene, zu diskutieren. Als Teil der populären Kultur ist sie zugleich rückgekoppelt an Alltagserfahrungen, lebt vom Interesse am wirklichen Menschen, seinen Ängsten und Sehnsüchten. Die wirkungsmächtigen Werke solcher Klassiker des Genres wie beispielsweise H.G. Wells, George Orwell und Ray Bradbury stehen für emanzipatorische Ansprüche. In den 1970er Jahren war Science Fiction die Brutstätte literarischer feministisch-sozialistischer oder feministisch-anarchistischer Utopien; Joanna Russ, Ursula LeGuin oder Marge Piercy sind nur die bekanntesten Autorinnen. Viele Künstlerinnen und Künstler haben mit Science Fiction zumindest phasenweise experimentiert, von Gerhard Gundermann bis zu Rainer Werner Fassbinder. Und umgekehrt gehört es für Geisteswissenschaftler heute fast schon zum guten Ton, sich mit Science Fiction zu beschäftigen oder ihr Beispiele zu entlehnen – von Zizek bis Negri und Hardt.
Seit der Italiener Giovanni Schiaparelli 1877 das entdeckte, was er für Kanäle auf dem Mars hielt, wurde der rote Planet zum bevorzugten Ort der Erfindung fremder Zivilisationen. So unterschiedliche Autoren wie Kurd Laßwitz, Alexander Bogdanow, der Tarzan-Erfinder Edgar Rice Burroughs und Alexej Tolstoi wirkten an der Vorstellung vom „Marsmenschen“ mit. Während die Mondfahrt vorrangig etwas für technische interessierte Science Fiction war, war der Mars das Thema für gesellschaftswissenschaftlich ambitionierte. Der rote Planet erlebte in den 1990er Jahren ein außerordentliches Revival, diesmal auf der Basis des Terraforming, der sozial-ökologischen Umwandlung in eine für Menschen bewohnbare Welt. Das interessanteste Werk dieser Welle ist die Mars-Trilogie von Kim Stanley Robinson, die das Spektrum sozialistischer und anarchistischer Theorieströmungen und Realexperimente umfassend aufgenommen hat.
Der Initial-Schwerpunkt Sozialismus auf dem Mars handelt von Science-Fiction-Expeditionen in die Welt der Utopien, des Massenbewußtseins, der kollektiven Sehnsüchte und Erfahrungen. Christoph Spehr untersucht die filmische Rezeption von Revolutions- und Transformationstheorie in „Matrix“. Annette Schlemm entwickelt, sich u.a. beziehend auf Kim Stanley Robinsons Mars-Trilogie, Umrisse einer zeitgenössischen emanzipatorischen Utopie. Wladislaw Hedeler analysiert Bogdanows Mars-Romane und ihr Verhältnis zu dessen politischen und wissenschaftlichen Aktivitäten. Antje Schrupp geht den Veränderungen von Frauendarstellungen in Science Fiction und den Wandlungen im Feminismus nach. Jakob Schmidt zeigt anhand der TV-Serie „Dark Angel“, einem kapitalismuskritischen Highlight aus der Schmiede des „Terminator“-Erfinders James Cameron, die Widersprüche zwischen Utopien künstlich veränderter Körper und den Identitätssehnsüchten ihrer Träger. Bartholomäus Figatowski schließlich befaßt sich mit den „soziologischen Modellbildungen“ in zwei zentralen Romanen von Stanislaw Lem und arbeitet deren totalitarismuskritische Implikationen heraus.
Fast alle Beiträge sind aus Vorträgen des vierten „Out of this world“-Kongresses hervorgegangen, der vom 1. bis 3. Oktober 2004 in Berlin stattfand. „Out of this world“ ist eine Kongreßreihe und ein Projektzusammenhang, der sich den Verbindungen zwischen Science Fiction, Politik und Utopie verschrieben hat. Getragen wird das Projekt von Intkom e.V. Bremen in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die Beiträge der ersten drei Kongresse sind in zwei Buchveröffentlichungen erschienen, dieses Initial-Heft tritt ihre Nachfolge an. Der nächste Kongreß ist für das Frühjahr 2006 geplant.
Berliner Debatte INITIAL 16 (2005) 1 "Sozialismus auf dem Mars", ISBN 3-936382-38-7, 10 €
Infos: www.berlinerdebatte.de
Bestellungen Heft: leidenschaften@berlinerdebatte.de oder Fax: 039931-54727 oder Post: Berliner Debatte, c/o Thünen-Institut, Dudel 1, 17207 Bollewick. Auslieferung erfolgt per Post mit Rechnung binnen 4 Werktagen.
Bestellungen Einzelartikel als pdf-Datei: näheres über www.berlinerdebatte.de/initial/pdf%20laden.htm