Ohne Gegenstimme beschloss der Vorstand der Partei DIE LINKE am 21. Mai 2011: «Es gehört zum Bestand linker Grundpositionen, gegen jede Form von Antisemitismus in der Gesellschaft vorzugehen. Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Partei heute nicht und niemals einen Platz. DIE LINKE tritt (…) mit Partnern entschieden gegen antisemitisches Gedankengut und rechtsextremistische Handlungen auf.» Die Bundestagsfraktion DIE LINKE folgte diesem Beschluss am 7. Juni 2011 einstimmig. Außerdem wurde hinzugefügt: «Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahost- Konflikt, die eine Ein-Staaten-Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer Gaza-Flottille beteiligen. Wir erwarten von unseren persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Fraktionsmitarbeiterinnen und Fraktionsmitarbeitern, sich für diese Position einzusetzen.»
Nur kurze Zeit später wurde bekannt, dass sich ein Drittel der LINKE-Abgeordneten an dieser Abstimmung nicht beteiligt hatte. Fortgesetzt wurde diese Entscheidung nun aus den eigenen Reihen kritisiert und auch explizit missachtet. «Undemokratisch und gefährlich» sei dieser Beschluss, so die Bundestagsabgeordnete Anette Groth gegenüber der ARD, eine «Aufkündigung der internationalen Solidarität». Der Beschluss, so ergänzt sie in einer persönlichen Erklärung, sei «nur durch psychologischen Druck zustande» gekommen und werde von ihr nicht mitgetragen. Andere Abgeordnete dagegen, so die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, verteidigten die gefundene Position vehement und nachdrücklich als existenziell für DIE LINKE.
Die Emotionalität der öffentlichen Debatte unter den Beteiligten nahm Züge an, die Beobachter daran zweifeln ließen, dass die linke Bundestagsfraktion diese Auseinandersetzung unbeschadet überstehen würde. Mit dem Ziel, die hochgepeitschten Wogen zu glätten, wurde dann am 28. Juni 2011 per Beschluss nachgelegt. «Wir werden als Linke weiterhin die Politik der israelischen Regierungen gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern öffentlich kritisieren, wann immer dies wegen deren Völker- und Menschenrechtswidrigkeit notwendig ist. (…) Es ist nicht hinnehmbar, wenn einer derartigen Kritik an der Politik der israelischen Regierung mit dem Vorwurf des Antisemitismus begegnet wird. Wir werden nicht zulassen, dass Mitglieder unserer Fraktion und Partei öffentlich als Antisemiten denunziert werden, wenn sie eine solche Politik der israelischen Regierung kritisieren. (…) Die inflationäre Verwendung des Begriffs des Antisemitismus schadet dem Kampf gegen ihn.» Dem ZDF-Magazin Berlin direkt gegenüber erklärte Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi anschließend: «Ich glaube, das Thema ist beendet.»
Ein Ende der oft von Extrempositionen bestimmten Kontroversen innerhalb der Partei DIE LINKE ist jedoch kaum zu erwarten. Warum nicht, sollen die folgenden Bemerkungen zeigen. Zum Verständnis der Kontroversen ist als «Einstieg» ein wenigstens kursorischer Blick auf die Vorgeschichte des Themas «Linke, Antisemitismus und Nahostkonflikt» vonnöten.
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