Das renommierte Haus der Geschichte Baden-Württembergs widmet sich seit 14. Juni dem „Terror im Südwesten“. Die Ausstellung, die noch bis 23. Februar 2014 geöffnet ist, stieß auf eine große mediale und Besucherresonanz (Link zur Presseresonanz).
Im Untergeschoß des Hauses untergebracht, ist die Sonderausstellung in zwei Räume aufgeteilt. Im ersten, in Rot gehaltenen (Haupt-) Raum geht es um das Metathema „Gewalt“, im zweiten, etwas kleineren, der in weiß gestaltet ist, um „Auswege aus der Gewalt“. Die Struktur der Ausstellung folgt exakt der des Kataloges, bzw. umgekehrt.
Der erste Raum bietet viele Originalobjekte, etwa den Dienstkalender von Generalbundesanwalt Kurt Rebmann, oder von der RAF genutzte oder gar gebaute Objekte und Waffen aus der Asservatenkammer der Polizei. Zu Beginn sind Medienstationen installiert, die u.a. mit Hilfe kleiner Filme beispielhaft über verschiedene Attentate der RAF in baden-württembergischen Städten (Karlsruhe, Heidelberg) informieren. Danach folgen sehr viele, teilweise sehr kleine Schaukästen, die die Lektüre, gerade wenn die Ausstellung gut besucht ist, und sich viele Menschen vor den Vitrinen drängen, nicht gerade erleichtern.
Die Ausstellung bietet vor allem Objekte und schriftliche Exponate, beeindruckend sind jedoch auch die filmischen Dokumente. So trägt Oliver Tolmein 1992 einen Pullover, der eindeutig ein Fall für die Stilpolizei ist (YouTube). Der damalige Stuttgarter Polizeipräsident spricht in einem 1985 geführten Interview genauso ausgestanzt („wir-haben-damals-keine-Fehler-gemacht“) und abgedroschen, wie man es sich klischeehaft vorstellt. Wie traumatisiert die nichtprominenten Opfer und die Überlebenden der RAF-Aktionen sind, und wie wenig Bewusstsein und Hilfe es in den 1970er Jahren für sie gab, wird am Beispiel eines berührenden, 2012 geführten Interviews mit einem normalen Polizisten deutlich. Er wurde 1978, nur ein Jahr nachdem er eine Schießerei im badischen Singen knapp überlebte, ungefragt zum Personenschutz in Karlsruhe abkommandiert.
Der zweite Raum besteht dann im Grunde nur noch aus Multimediastationen, die verschiedene thematische und relativ kurze Filme bieten. Themen sind die Zusammenlegungsdebatte, die Kinkel-Initiative, die Aussteiger (wie Klaus Jünschke), der Umgang der legalen Linken mit der RAF oder es wird ein Interview mit Christian Klar nach seiner Entlassung auszugsweise dokumentiert.
Die Ausstellung individualisiert und „verpersönlicht“ viel, mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Ihr vorzuwerfen, wie es in anderen Ausstellungskritiken geschehen ist, dass sie den Entstehungskontext der RAF nicht genügend beleuchtet, ist müßig. Wer also nicht unbedingt den Kitzel braucht, die Originalobjekte („der selbstgebaute Pizza-Ofen von Jan-Carl Raspe aus Stammheim") hinter Glas zu betrachten, wird in der Ausstellung über die Rote Armee Fraktion wenig bis nichts neues lernen, was nicht auch bereits im Kataloges lesbar ist. Viele der gezeigten Videos, etwa das Interview von Oliver Tolmein und Roger Willemsen mit den drei Gefangenen aus Celle, sind längst im Netz frei verfügbar.
Neues erfährt man eher noch über die Opfer, die Überlebenden und ihre Angehörigen. Die Ausstellung zeigt aber, gerade in der Darstellung der Spät- und Nachwirkungen des bewaffneten Kampfes bis heute, dass das Thema – auch über zwanzig Jahre nach dem erklärten Ende desselben und 15 Jahre nach dem Ende der RAF - noch lange nicht vergangen ist.
Bereits 2007 hat das Haus der Geschichte im 20. seiner sog. Stuttgarter Symposien sich den Opfern der RAF gewidmet und dazu 2009 einen auch heute noch lesenswerten kleinen Band, u.a. mit Beiträgen von Oliver Tolmein (Politisch motivierte Gewalt und die Schwierigkeiten des Bereuens – die RAF, ihre Opfer und das Strafrecht), dem Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter (Täter – Opfer – Versöhnung) oder von Michael Buback (Gnade und Recht) publiziert.
Zum Schluss verbleibt nur noch auf www.raf-ausstellung.de als Begleitformat zur Ausstellung hinzuweisen: Eine Website die viel Material, einige technische Gimmicks als auch eine Kommentarfunktion enthält.
Link zur Rezensiondes Ausstellungskataloges auf den Seiten der Rosa Luxemburg Stiftung
Öffnungszeiten sind täglich (außer montags) sowie an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Donnerstags ist bis 21 Uhr geöffnet. An Sonntagen werden um 11 Uhr, an Sonn- und Feiertagen um 15.30 Uhr öffentliche Führungen angeboten (Dauer: 1 Stunde, Kosten: 4 Euro pro Person zzgl. Eintritt).
Eintrittspreise: Erwachsene 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro. Schüler: frei.
Adresse: Das Haus der Geschichte liegt an der Stuttgarter Kulturmeile, neben der Staatsgalerie, 500 Meter vom Hauptbahnhof entfernt: Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Konrad-Adenauer-Str. 16, 70173 Stuttgart.
Bernd Hüttner
Bernd Hüttner lebte bis 1992 in Baden-Württemberg. Er ist Referent für Zeitgeschichte und Geschichtspolitik der Rosa Luxemburg Stiftung.
© Foto: Werner Kuhnle, Haus der Geschichte Baden-Württemberg