Hartz IV und Wertedebatte: Menschenbilder in der Sozialpolitik
Vor fünf Jahren wurde die Hartz-Politik in Gang gesetzt. Im Jahr 2004 wurden die Hartz-IV-Regelungen beschlossen. Trotz aller öffentlicher Proteste und erwiesener beschäftigungspolitischer Wirkungslosigkeit hält die Regierung an diesem Konstrukt fest. Es muss konstatiert werden, dass sich die meisten Befürchtungen bezüglich der Hartz-Gesetze generell, der Hartz-IV-Regelungen im Besonderen, bestätigt haben. In einer Analyse vom Herbst 2004 hoben wir folgende Grundprobleme bezüglich des Instrumentes Hartz IV hervor: Die gesellschaftspolitische Dimension als Verschiebung des Machtverhältnisses auf dem Arbeitsmarkt zuungunsten der auf Lohnarbeit Angewiesenen, die den bekundeten Zielen inadäquate Gestaltung der Arbeitsbedingungen und der personellen Ausstattung in den Ämtern, den Übergang von der Losung „Fördern und Fordern“ zu „Fordern mit möglichst wenig Förderung“ bei Vollendung eines „repressiven Zyklus“, die Charakteristik der Regelungen als Regime der Angst und als Verstetigung von Armutskarrieren, die Untergrabung von Demokratie und Bürgerrechten sowie fortschreitende Delegitimierung der sozialen Versicherungssysteme, die weitere Lokalisierung der gesellschaftlich gesetzten Arbeitsmarktkrise und Kommunalisierung von Beschäftigungspolitik bei Umwälzungen in der Trägerlandschaft sowie die Installierung eines neuen Menschenbildes.
Repression, Angst und damit verbunden die Untergrabung von Demokratie und Menschenrechten sind Konsequenzen der Hartz-IV-Politik, die letztlich den politischen Gehalt und möglicherweise auch die politisch-ideologischen Intentionen der diese tragenden Teile der Eliten charakterisieren. Nicht zufällig waren wir in den letzten Jahren mit Leitkultur-Debatten konfrontiert, wurde durch Aushöhlung von Kranken- und Rentenversicherung die solidarische und öffentliche Sozialversicherung diskreditiert und durch Privatisierung öffentlichen Eigentums und öffentlicher Räume die Möglichkeiten eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt.
Angst und „Sachzwang“ sollten jede Alternative, jeden anderen Weg der Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums als unmöglich erscheinen lassen. Dass die exzessive Anwendung des Paragrafen 129a des Strafgesetzbuches ausgerechnet an der Nutzung eines Begriffes, der eine bestimmte Art der sozialen Spaltung beschreibt (Gentrifikation), festgemacht wurde, ist vor diesem Hintergrund nicht einfach Zufall. Umfrageergebnisse zeigen, dass dieses Konzept (bisher) nicht wie gedacht aufgegangen ist. Die jüngste Welle populistischer Angriffe seitens der SPD gegen politische Programme, die eben Umverteilung als nötig akzeptieren und vertreten, ist ein anderer Reflex dieser Situation.
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