«Zerfall der EU oder demokratische Reorganisation von links: wie weiter mit Europa?» hieß eine Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 13. und 14. November 2015 in Berlin. Der vorliegende Band versammelt zahlreiche Texte, die dort zur Diskussion gestellt wurden. Seither unterliegen die Verhältnisse in Europa einer teilweise atemberaubend hohen Veränderungsdynamik, in der Regel nicht zum Guten.Das Jahr 2015 hatte am 25. Januar hoffnungsvoll mit dem Erfolg von Syriza beiden griechischen Parlamentswahlen und der Ernennung von Alexis Tsipras zum neuen griechischen Ministerpräsidenten begonnen. Damit wurde den Protesten der griechischen und europäischen Bevölkerung gegen die Austeritätspolitik von einer Regierung und auf der offiziellen politischen Bühne der EU Ausdruck verliehen.Sehr schnell wurde jedoch klar, daß die Euro-Gruppe, die EZB, die Kommission und die deutsche Regierung nicht bereit waren, das demokratische Votum für eine linke Alternative zu akzeptieren. Mit massivem Druck – vor allem mit den Mitteln der Kreditgewährung – und gegen jede wirtschaftliche Rationalität wurden die Spielräume der griechischen Regierung immer weiter eingeschränkt und die Umsetzung der Vorgaben der «Troika» erzwungen. Ausdrücklich wurde in den Medien und von Politikberatern als Ziel festgehalten, zu verhindern, dass in Griechenland die linke Regierung Erfolg hätte und damit zu einem Modell auch für Spanien und Portugal, im Weiteren auch für Frankreich oder Italien werden könnte. Befürchtet wurde von den starken neoliberalen Kräften, dass ihre austeritätspolitischen Maßnahmen nicht länger durchsetzbar sein könnten,die die Bedingungen der Kapitalverwertung verbessern sollen. Neben fiskal- und haushaltspolitischen Zielen ging es um die Privatisierung öffentlichen Eigentums,um den Abbau sozialstaatlicher Institutionen, um die Deregulierung des Arbeitsmarkts:Schwächung der Gewerkschaften, Lockerung des Kündigungsschutzes,
Absenkung der Löhne, Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
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Die gesamte Konstellation ist von zahlreichen Widersprüchen durchzogen. Auch die Linke ist gespalten und steht vor erheblichen konzeptionellen und strategischen Problemen. Angesichts der jüngeren Erfahrung, aber auch, weil die EU historisch wenig demokratisch war, den Kapitalinteressen und vor allem den Interessen weniger Mitgliedsländer diente, gibt es viele Vorbehalte gegen die EU. Viele linke Parteien, Bewegungsorganisationen und linke Intellektuelle betrachten die EU mit Skepsis und können sich eine Rückkehr zum Nationalstaat vorstellen, weil hier die Handlungsfähigkeit als größer eingeschätzt wird. Aus historischen Gründen unterstützen andere Teile der Linken eine Fortsetzung und Intensivierung des europäischen Integrationsprozesses. Ein wichtiges Moment ist das der Friedenssicherung, auch wenn die NATO und EU-Mitgliedsländer die Vereinbarungen mit Russland gebrochen haben, keine Truppen in den früheren Staaten des Warschauer Paktes zu stationieren. Vor allem auch die Perspektive eines internationalistischen Entwicklungs- und Demokratisierungsprojekts gilt weiterhin als verlockend. Entsprechend gibt es zahlreiche Vorschläge, die von Reformen, partiellen Rücknahmen der EU-Regelungswerke über eine demokratische Erneuerung bis zu einer demokratischen Neugründung der EU reichen.
Das vorliegende Buch will den Stand der Analysen zur Entwicklung der EU in der Krise und zur Diskussion um linke Strategien zusammenführen und fragt eben im doppeldeutigen Sinn: «Europe? What’s left …?» [...]
Das gesamte Buch im PDF.
Das gedruckte Buch ist beim Verlag Westfälisches Dampfboot erhältlich.
Die europäische Union zwischen Zerfall, Autoritarismus und demokratischer Erneuerung
Mario Candeias, Alex Demirovic (Hrsg.)
ISBN: 978-3-89691-850-5
343 Seiten
Preis: 33,00 €
Erschienen: 2017