Publikation Bildungspolitik - Staat / Demokratie - Gesellschaftstheorie - Wirtschafts- / Sozialpolitik Recht im Diskurs. Rechtstheoretische und rechtspraktische Untersuchungen, dargestellt an internationalen Beispielen

von Hella Hertzfeldt, Katrin Schäfgen, Sandra Thieme (Hrsg.). Sechstes DoktorandInnenseminar der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Reihe Manuskripte der RLS, Bd. 65

Information

Reihe

Manuskripte

Autor*innen

Sandra Thieme, Katrin Schäfgen, Hella Hertzfeldt,

Erschienen

Dezember 2006

Zugehörige Dateien

Sechstes DoktorandInnenseminar der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Manuskripte der RLS, Bd. 65

Inhalt

Vorwort

Anja Schmidt: Täter – Opfer – Staat. Eine rechtsphilosophische Untersuchung zur Bewältigung kriminellen Unrechts in materieller Hinsicht

Enrico Weigelt: Bewähren sich „Bewährungsstrafen“? Eine Erfolgsanalyse der Strafaussetzung zur Bewährung von Freiheits- und Jugendstrafen anhand rückfallstatistischer Daten

Jane Angerjärv: Geschlechtsbezogene Diskriminierung von Frauen in Estland

Ingo Elbe: Paschukanis versus Lenin. Zwei Paradigmen marxistischer Staatskritik

In Rib Baek: Gestern und Heute der schwedischen Altersversicherung

AutorInnen

Den Namen des Rechtes
würde man nicht kennen,
wenn es das Unrecht
nicht gäbe. (Heraklit)

Vorwort

Die in diesem Band zusammengestellten Aufsätze gehen auf Vorträge im Rahmen des fünften DoktorandInnenseminars der Rosa Luxemburg Stiftung im November 2004 zurück. Diese Seminare bringen StipendiatInnen sehr unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen, fördern also den interdisziplinären Austausch zwischen Promovierenden. Das Thema des Seminars – „Recht im Diskurs“ – stellte lediglich einen - weit gefassten – Rahmen dar, innerhalb dessen sowohl rechtsphilosophische wie auch rechtspraktische, allgemein-philosophische oder rechtsvergleichende Beiträge diskutiert werden konnten.

Ziel dieser Seminarreihe ist es, die wissenschaftlichen Arbeiten der StipendiatInnen in ihrem jeweiligen Bearbeitungsstadium vor- und zur Diskussion zu stellen. Sie dienen damit der individuellen Qualifikation ebenso wie dem wissenschaftlichen Austausch über enge disziplinäre Grenzen hinaus. Die Publikation der dafür überarbeiteten Vorträge ermöglicht es, die Forschungsthemen der DoktorandInnen einem breiteren Kreis zugänglich zu machen und damit Anregungen für weitere Diskussionen zu ermöglichen.

Der erste Beitrag von Anja Schmidt untersucht aus rechtsphilosophischer Perspektive die Möglichkeit der Bewältigung kriminellen Unrechts durch die Einbeziehung des Opfers. Sie macht deutlich, dass die Sanktion von Straftaten ausschließlich durch den Staat das Opfer aus der Unrechtsbewältigung „verdrängt“. Aus diesem Grund lotet sie in ihrem Aufsatz die Möglichkeit aus, wie das Opfer in den Tatausgleich zwischen Täter und Opfer einbezogen werden kann. Durch eine Versöhnung wird ihres Erachtens erreicht, dass das gemeinsame Dasein in Freiheit von Opfer und Täter wiederhergestellt werden kann, wenn der Täter einsieht, dass er die Selbständigkeit des Opfers verletzt hat.

Der Aufsatz von Enrico Weigelt thematisiert den Erfolg von Bewährungs- gegenüber vollstreckten Freiheitsstrafen. Durch Auswertung der Daten der Rückfallstatistik weist er nach, dass vollstreckte Freiheitsstrafen eine deutlich höhere Rückfallquote aufweisen als auf Bewährung ausgesetzte. Damit verdeutlicht Weigelt, dass eine Resozialisierung, die im modernen Strafrecht im Vordergrund steht, in Freiheit weitaus erfolgreicher zu ermöglichen ist als im Strafvollzug. Zugleich verweist er auf die Gefahren, die sich aufgrund der aktuellen Diskussionen um Strafverschärfung für Resozialisierungschancen ergeben.

Jane Angerjärv fragt in ihrem Text nach der geschlechtsbezogenen Diskriminierung von Frauen in Estland. Sie arbeitet heraus, dass sich die Einstellung gegenüber Gleichberechtigung der Frauen in den 90er Jahren verändert hat: galten diese in sowjetischen Zeiten als gleichberechtigt, sollten sie nun zuständig für Haushalt und Kinder sein. Insbesondere unter dem Einfluss der europäischen Gesetzgebung, die im Zuge des EU-Beitritts Estlands auch in estnisches Recht transformiert wurde (werden musste) lassen sich jedoch positive Tendenzen zu mehr Gleichstellung ausmachen.

Ingo Elbe beschäftigt sich in seinem Beitrag mit zwei gegensätzlichen Paradigmen marxistischer Rechts- und Staatskritik: der traditionellen Staatstheorie Lenins und dem Gegenentwurf bei Paschukanis. Er stellt heraus, dass sich der Rückgriff von Linken und Globalisierungskritikern auf die Lenin’sche Bestimmung des Staates als Instrument der herrschenden Klasse als nicht gegenstandsadäquat erweist. Um Paradoxien in der theoretischen wie praktischen Auseinandersetzung zu Staat und Recht zu vermeiden fordert Elbe eine dialektische Auseinandersetzung mit diesen Kategorien.

In Rib Beak widmet sich in seinem Aufsatz den Veränderungen im schwedischen Rentensystem. Er macht deutlich, dass die teilweise Umstellung auf ein Kapitaldeckungsverfahren mit erheblichen Risiken für die zukünftigen Rentner/innen einhergeht und dass die Veränderung der anteiligen Finanzierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu Lasten letzterer geht. Zwar wurde im neuen System eine demographische Komponente integriert; dennoch geht Beak davon aus, dass sich das Versorgungsniveau für künftige Rentner/innen verschlechtern wird.

Die einzelnen Aufsätze belegen die unterschiedlichen Zugänge und Umgangsweisen mit Recht und sollen LeserInnen zu einer weiterführenden Diskussion um Rechtstheorie, -philosophie und –praxis einladen.

Berlin, Dezember 2006

Katrin Schäfgen