Die kontroverse Diskussion darüber, ob die DDR ein „Unrechtsstaat“, eine „Diktatur“, ein „lebenslanger Knast“ oder eine andere staatliche „Ausgeburt“ gewesen sei, nimmt kein Ende. Sie zeigt einmal mehr,
dass ein großer Teil der Bürger im Osten nicht bereit ist, solche vordergründigen Zuschreibungen mitzutragen. Liegt das z. B. nur daran, dass der damalige Alltag von vielen aus heutiger Sicht (z. B. eines Langzeitarbeitslosen), rückwirkend erträglicher als der heutige empfunden wird, oder werden hier auch Nachwirkungen der DDR-Sozialisation sichtbar?
Ergebnisse einer Langzeitforschung, der „Sächsischen Längsschnittstudie“, sprechen für diese Vermutung.
Diese einzigartige sozialwissenschaftliche Untersuchung bei immer denselben Personen läuft bereits seit
1987 (!) bei mehreren Hundert Ostdeutschen, die 1972/73 in der DDR geboren wurden und gegenwärtig
(2009) rund 36 Jahre alt sind. Wesentlich ist, dass diese Untersuchung für diese Altersgruppe im Osten repräsentativ ist, weil die TeilnehmerInnen damals durch ein Zufallsverfahren aus der Grundgesamtheit der Schüler 8. Klassen in der DDR ausgewählt wurden. Aussagekraft besitzt sie aber auch für weitere, ältere Jahrgänge, die in der DDR „groß geworden“ sind, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Einflussfaktoren.
Erforscht werden seit über zwei Jahrzehnten die persönliche Sicht der Teilnehmer auf die völlig veränderte
und sich weiter verändernde Welt, ihre „Weltanschauung“ im weitesten Sinne also, ihre Wertvorstellungen,
Zukunftshoffnungen und Alltagsängste.